Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss „Kindesmissbrauch“ (PUA I) des NRW-Landtags nimmt im November die Zeugenvernehmungen wieder auf. Im Fokus steht für Andreas Bialas, Sprecher der SPD-Fraktion im PUA I, der Opferschutz: „Mich bewegt insbesondere die Frage, ob die Opfer schnellstmöglich vor weiterem Missbrauch geschützt worden sind“, so Bialas. Zudem geht er möglichen weiteren Tätern und einem Täternetzwerk im Umfeld des Campingplatzes Lügde nach sowie der Frage, ob der Missbrauch digital verbreitet worden sei.
Zum Wochenbeginn befragte die SPD eine Polizeibeamtin aus der Kreispolizeibehörde Lippe, inwieweit weitere mögliche Täter ins Visier genommen wurden. Die Ermittlungen hätten sich laut Aktenlage auf drei bereits verurteilte Hauptbeschuldigte konzentriert. Die Beamtin war an der Ermittlungskommission „Campingplatz“ beteiligt und hat u.a. Opferkinder und den später verurteilten Täter Mario S. vernommen. Am 19.12.2018 hat die Polizeibeamtin aus Lippe ein Opfer des Andreas V. angehört. Bei der Vernehmung schilderte das Kind deutliche Verdachtsmomente gegenüber dem später verurteilten Täter Mario S. Am nächsten Tag, dem 20.12.2018, vernimmt dieselbe Polizeibeamtin dann genau diesen Mario S. – als Zeugen, nicht aber als Beschuldigten. Dem Verdacht gegenüber Mario S. wurde bei der Vernehmung nicht nachgegangen. Hierzu erklärt Andreas Bialas:
„Die Aussagen der Polizeibeamtin sind erschreckend. Trotz deutlicher Verdachtsmomente wurde zugelassen, dass das Kind den Täter Mario S. weiterhin kontaktieren durfte. Es ist vollkommen unverständlich, dass Mario S. nicht mit den Aussagen des Kindes konfrontiert und daraufhin verhaftet wurde. Eine Abfrage in den Polizeisystemen hätte zu dem Zeitpunkt bereits ergeben, dass Mario S. schon zweimal zuvor eines sexuellen Missbrauchs verdächtigt wurde. Es ist unerträglich, dass der Täter seine Taten noch drei weitere Wochen lang fortsetzen konnte.
Außerdem wurde ein ergangener Durchsuchungsbeschluss eine Woche lang nicht vollstreckt, ein Antrag auf einen Haftbefehl gegen Mario S. vom 03.01.2019 von der Justiz abgelehnt. Erst am 11.01.2019 erfolgten Maßnahmen, wodurch S. endlich gestoppt werden konnte. Ganze drei Wochen zu spät.“
Bialas verwies darauf, dass es sich beim Gesamtkomplex Lügde um ein Grenzgebiet zu Niedersachsen handele und sich deshalb auch die Frage stelle, wie die NRW-Behörden mit denen im benachbarten Bundesland zusammengearbeitet hätten. Er kündigte außerdem eine Große Anfrage der SPD mit mehr als 100 Einzelfragen an die Landesregierung dazu an, ob die Handlungsempfehlungen des ersten U-Ausschusses – wie die Arbeit der Behörden verbessert werden kann – umgesetzt worden seien.
Der erste Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Kindesmissbrauch im NRW-Landtag hatte die Aufgabe, die Rolle von Behörden und Polizei nach jahrelangem sexuellen Missbrauch von Kindern auf einem Campingplatz in Lügde im Kreis Lippe
zu untersuchen. Der Zwischenbericht listet strukturelle Probleme im
Bereich der Jugendämter in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
sowie bei der Polizei auf. Nach der Landtagswahl im Mai wurde ein weiterer Untersuchungsausschuss zum Thema Kindesmissbrauch eingesetzt. Ziel ist, Kinder und Jugendliche besser vor sexualisierter Gewalt schützen.